Elternbrief gegen Internet-Zensur

Posted by on Jun 23, 2009 in Netzpolitik | No Comments

Bevor ich in den nächsten Tagen dazu komme, meine Gedanken zu “#zensursula” – dem Twitter-Hashtag für das neue Internet-Zensur-Gesetz, dass unter Federführung von Ursula von der Leyen durchgesetzt und vergangene Woche im Bundestag
verabschiedet
wurde – zu sammeln und zu formulieren, hier ein Brief, den ich vergangene Woche an meine Eltern geschrieben habe. Er enthält auch einen Brief, den ich an die vier aufrechten Abgeordneten der Koalition geschickt habe, um mich für Ihr Abstimmungsverhalten zu bedanken.

Vielleicht kann ja der eine oder die andere von Euch das als Anregung verwenden, um Eure Eltern zu mobilisieren. Kommentare und Verbesserungsvorschläge sind herzlich willkommen!

Schaut Euch dies bitte mal an:
Ein Beitrag des ZDF-Morgenmagazin von gestern früh: http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/778434
Die Regierung hat dieses Gesetz tatsächlich gestern beschlossen.
Ich finde, Ihr solltet Leute Eurer Generation (die wie Ihr von den Medien kaum über die Problematik informiert werden) darüber in Kenntnis setzen und “wachrütteln”, dass unsere Regierung
1. die Gewaltenteilung aufhebt (die Polizei darf ohne Richter entscheiden, wer auf die Liste kommt)
2. das Grundgesetz missachtet (§5 Eine Zensur findet nicht statt.) Von Ausnahmen steht da nix.
Ich habe heute früh einen Brief an die (immerhin) vier Abgeordneten von CDU und SPD geschickt, die gegen das Gesetz gestimmt haben (unten unter dem Strich).
Die Abstimmung wurde auf Betreiben der Grünen namentlich gemacht und die Liste unter
http://www.abgeordnetenwatch.de/internet_sperren-636-180.html
veröffentlicht. Schreibt Eurem Abgeordneten, was ihr von seiner Stimme haltet. dabei dürft ihr die Punkte aus meinem Brief gerne verwenden.
Besonders die Punkte, die ich unten zu Iran und Obama geschrieben habe, machen mir echt Angst.
Wir (die “jungen” Internet-Nutzer) haben das Problem, dass der Kreis der politisch Interessierten und “öffentlich Protestwilligen” (sprich, die 68er oder Ihr) sich mit diesem Thema einfach nicht detailliert auseinandersetzen, unsere großen Medien sehr unvollständig informieren und die CDU mit der Bekämpfung von Kinderpornos sich auch ein schönes emotionales Thema gesucht hat. Da die Sperre leider eigentlich wirkungslos ist, kann man mit Kindern aber schlecht argumentieren. Gestern abend haben schon die ersten CDU-Politiker angekündigt, die Sperre auf andere Inhalte ausweiten zu wollen – das war in der Koalition vorgestern noch explizit ausgeschlossen worden, um die SPD zur Zustimmung zu zwingen. So geht Politik…
Ich grüße Euch herzlich …

Verehrte Herren, (Damen sind ja leider nicht dabei)
ich bin etwas enttäuscht, dass nur so wenige Fraktionsmitglieder der großen Koalition gestern den Mut und das Rückgrad bewiesen haben wie Sie vier, und in der Abstimmung für die Einhaltung von §5 GG und die Beibehaltung der Gewaltenteilung in Deutschland gestimmt haben.
Gerade darum möchte ich es mir aber auch nicht nehmen lassen, mich bei Ihnen persönlich für diese Abstimmung zu bedanken.
Meine Stimme bei der Bundestagswahl haben die großen Parteien damit allerdings verloren.
Ich bin kein 20-jähriger Internet-Geek, sondern knapp vierzig-jähriger Unternehmensberater mit Familie, also genau das, was man gemeinhin bürgerlich nennt.
Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie Feedback dieser Art (ich hoffe ich bin nicht der einzige der Ihnen dankt), an Ihre Fraktionskollegen weitergeben. Ich finde zwei Punkte besonders “interessant” an diesem Thema:
1. im Iran erlegen wir gerade die Nicht-Wirkung solcher Infrastrukturen. Der Tagesspiegel hat heute seine S.2 mit “Zensiert!” in riesigen Lettern überlegt, und freut sich im Text das findige Menschen in Deutschland, die Menschen im Iran technisch bei der Umgehung der Sperren unterstützen. Auf S.6 wird dann über die Einführung von Internet-Sperren in Deutschland berichtet, als habe das nichts miteinander zu tun.
2. Mit großem Neid haben Deutsche Politiker im vergangenen Jahr wahrgenommen (und das auch sehr öffentlich in den Medien), wie Barack Obama einen erdrutschartigen Wahlsieg eingefahren hat durch die intensive Mobilisierung der jungen Internet-Generation mithilfe von Twitter, Facebook, Blogs etc. Die Unterstützung dieser Generation haben Ihre Parteien zumindest für die nächste Wahl, wahrscheinlich auf Dauer, gestern endgültig verspielt. Ich bin traurig aber sicher, dass das Ihre Parteien teuer zu stehen kommt, da es zu einer weiteren Zersplitterung und Extremisierung der Parteienlandschaft in Deutschland führt.
Was mich (neben der geringen TN-Zahl) bei der Sperrwache gestern morgen am meisten erschreckte (Sie waren ja auch dort, Herr Tauss, danke!), war die Tatsache, dass ich auf einer Demonstration gemeinsam mit Vertretern von Grünen und FDP stehe, zwei Parteien, die mir als klassischen “Mitte-Bürger” eigentlich beide zu extrem sind (die eine weniger als die andere, zugegeben). Dass diese beiden Parteien gemeinsam für eine Sache kämpfen, sollte Ihren Parteien zu denken geben.
Diese Kritik ist natürlich nicht an Sie persönlich gerichtet, sondern an die Fraktionen und Parteien, denen Sie angehören. Mir als Bürger ist es tatsächlich ein großes Anliegen, dass nicht nur versprengte Einzelne (auch wenn ich umso mehr Hochachtung vor Ihnen habe!) unter den Bundestagsabgeordneten bei Ihrem Abstimmungsverhalten
1. sich über Hintergründe informieren und
2. das Grundgesetz beachten.
Vielleicht haben Sie ja die Gelegenheit, dies weiterzugeben.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und nochmals herzlich für Ihre gute Abstimmung gestern. Ich hoffe, das bringt Ihnen nicht zuviel Gegenwind ein. Es gibt ja bürgerliche Parteien, in denen das öffentliche Widersprechen gegen die Parteilinie … lassen wir das.
Ich wünsche Ihnen ein schönen Tag und ein schönes Wochenende und unserem Bundespräsidenten eine sehr unruhige Hand, wenn er das unterschreiben soll…

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